Provenienzforschung und Rückführungen

Provenienzforschung bedeutet, zu erforschen, wie ein Objekt ins Museum gelangt ist. Und die Erforschung der Hintergründe der Objekte in der Sammlung gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Museums, auch um die Geschichten zu den Objekten erzählen zu können. Dazu gehört natürlich auch, wie das Objekt ins Museum gekommen ist, wem es vorher gehört hat. In vielen Fällen geht es darum, gezielt nach Hinweisen zu suchen, aus denen wir schließen können, dass Unrecht und Verbrechen dazu geführt haben, dass ein Objekt ins Museum gekommen ist.

Die Provenienzforschung beschäftigt sich demnach mit der möglichst lückenlosen Rekonstruktion der Eigentümerfolge und -verhältnisse, also mit Sammler- und Sammlungsgeschichte des Museums. Um die Herkunft der Objekte zu erforschen, werden alle dazu vorhandenen Daten ausgewertet. Das sind zum Beispiel Beschriftungen direkt am Objekt oder daran angebrachte Etiketten, auch alte Eingangsbücher können Auskunft über die vorherigen Besitzer*innen geben. Briefe, Tagebücher der Sammler*innen, Ausstellungskataloge, Verkaufsunterlagen oder auch Archivalien können ebenfalls wichtige Indizien liefern. Bei manchen Objekten kann die Herkunft so innerhalb eines Arbeitstages lückenlos bestimmt werden, bei anderen Exponaten ist es eine mühsame, über Jahre dauernde (manchmal leider auch erfolglose) Spurensuche.

Wenn die Provenienz der Objekte bekannt ist und sich das Herkunftsland eine Rückführung wünscht, dann empfiehlt das Übersee-Museum der Freien Hansestadt Bremen und dem Auswärtigem Amt, solch eine Rückführung einzuleiten.

Provenienzforschung zu NS-Raubgut

Seit 2015 hat das Übersee-Museum zwei Langzeitprojekte zu NS-Raubgut in seinen Beständen durchgeführt. Die Arbeitsstelle für Provenienzforschung und ihr Nachfolger, das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, hat diese Projekte finanziert.

Das Übersee-Museum ist den „Washingtoner Prinzipien“ von 1998 sowie der „Gemeinsamen Erklärung“ von 1999 verpflichtet. Es wird angestrebt, bei NS-verfolgungsbedingt entzogenen Stücken, die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Nachfahren ausfindig zu machen, um mit diesen zu einer gerechten und fairen Lösung über den weiteren Umgang mit diesen Objekten zu gelangen.

Eine Untersuchung ausgewählter völker- und naturkundlicher Zugänge

Gegenstand der Untersuchung waren naturhistorische und ethnografische Objekte, die im Zeitraum 1933 bis 1945 im Eingangsbuch des Hauses erfasst waren und deren im Verzeichnis vermerkte Provenienz Fragen aufwarf.

Das waren z.B. Ethnografika aus Peru, die zurückgehen auf den Bremer Unternehmer Ludwig Roselius. Von ihm ist bekannt, dass er in der NS-Zeit Objekte aus jüdischem Besitz erwarb. Jüd*innen, die von Verfolgung bedroht waren, waren häufig gezwungen ihren Besitz zu verkaufen oder er wurde ihnen abgenommen. Ebenfalls untersucht wurde z.B. ein vom Wehrwirtschaftsführer Franz Stapelfeldt vermittelter Zugang. Hier heißt es, die Stücke seien einer Dame abgekauft worden, um ihr in finanzieller Notsituation zu helfen.

Neben anderen naturhistorischen Zugängen wurden auch zwei Insektensammlungen untersucht. Besonders hier erwies sich die Recherche als schwierig. Die Verdachtsfälle wurden überprüft und die Herkunft konnte dabei nicht immer eindeutig geklärt werden, auch ein NS-verfolgungsbedingter Entzug ließ sich für keinen der betreffenden Zugänge nachweisen.

Im Zuge ihrer Recherchen stieß die Projektbearbeiterin allerdings auf die bis dahin nicht berücksichtigte Sammlung Franzius. Der Erwerb dieser Sammlung durch das Übersee-Museum ist ein belegbarer NS-verfolgungsbedingter Entzug. Das tragische Schicksal der als Jüdin verfolgten Alba Franzius wird in der Ausstellung „Spurensuche – Geschichte eines Museums“ beleuchtet.

Innenansicht des Lüderitz-Museum in der Böttcherstraße | Archiv Böttcherstraße Bremen, Foto: Stickelmann

Das Lüderitz-Museum des Ludwig Roselius. Kritische Überprüfung eines NS-Bestandes.

Das Übersee-Museum übernahm 1955 den Bestand „Lüderitz-Museum“. Diese mehrere hundert Nummern Naturalien und Artefakte umfassende Sammlung wurde von der „Böttcherstraße GmbH“, Verwaltungsgesellschaft des als Gesamtkunstwerk verstandenen Bremer Straßenzuges Böttcherstraße, gestiftet. Ihr Begründer ist der Unternehmer Ludwig Roselius (1874-1943).

Roselius rief auch ein Museum ins Leben, das den Bremer „Kolonialpionier“ Adolf Lüderitz (1834-1886) ehrte. In der an die Böttcherstraße grenzenden Martinistraße gelegen und 1940 eröffnet, wurde dieses Museum im Krieg zerstört. Es stellte Tiere, Ethnografika, Dokumente und Gemälde aus. Die Sammlung entstand durch Ankäufe bei Händlern und Privatpersonen in den 1930/40-iger Jahren. Die von Roselius ebenfalls geschaffenen Museen Böttcherstraße haben mehrere Rückgaben durchgeführt.

Roselius erwarb Kunst und kulturhistorische Objekte auf Auktionen, war aber auch selbst im Kunsthandel tätig und hatte – zwar teilweise schwierige – Verbindungen in politische Kreise. Daher war es wichtig, den Bestand „Lüderitz-Museums“ zu untersuchen. Ein NS-verfolgungsbelegter Entzug ließ sich nicht belegen, doch gibt es unter den untersuchten Objekten eine ganze Reihe, deren genaue Provenienz nicht ermittelt werden konnte. So bedürfen Ethnografika, die in von den Deutschen besetztem Paris gekauft wurden zum Beispiel der weiteren Überprüfung.

Außerdem stammen alle dem Bestand „Lüderitz-Museum“ zugehörigen Artefakte aus einem kolonialen Kontext. Die Geschichte des ehemaligen „Lüderitz-Museum“ wird in der Ausstellung „Spurensuche – Geschichte eines Museums“ näher behandelt.

Zur Ausstellung “Spurensuche”
Ein Objekt aus dem ehemaligen Lüderitz-Museum, jetzt in der Ausstellung “Spurensuche” zu sehen | CC BY-SA 4.0 Übersee-Museum Bremen, Foto: Volker Beinhorn

Provenienzforschung zu Objekten aus kolonialen Kontexten

Ahnen- und Trophäenschädel aus ehemals Deutsch-Neuguinea

Das Übersee-Museum besitzt aus Melanesien menschliche Schädel, die mutmaßlich aus der deutschen Kolonialzeit herrühren. Der Nordosten Neuguineas und die vorgelagerte Inselwelt waren von 1885 bis 1914/19 deutsche Kolonie. Ahnen- und Trophäenschädel, die künstlerisch bearbeitet wurden und von Vorfahren oder Feinden der Herkunftsgesellschaften stammen sowie menschliche Überreste, welche auf anthropologische Sammeltätigkeit zurückzuführen sind, werden im Haus verwahrt.

Im Fokus des laufenden Provenienzforschungsprojekts stehen aktuell 125 Schädel. Im ersten Projektjahr wurden die verschiedenen Quellgattungen und verstreut vorliegenden Informationen zusammengetragen. Grundlegende Kenntnisse über diesen Teil der Sammlung wurden erarbeitet.

Vorläufig sind vier Gruppen von Einlieferern festgestellt:

  1. von einem Museumsmitarbeiter 1912 von einer Reise mitgebrachte unbearbeitete Schädel;
  2. von der Neuguinea-Compagnie veräußerte übermodellierte Sepik-Schädel, die ein Kapitän der Kompanie 1910 zusammentrug
  3. von der Bremer Südsee-Gesellschaft veräußerte übermodellierte Sepik-Schädel, welche ein Firmenmitglied um 1913 vermittelte
  4. auf Angestellte von Missionen und Unternehmen zurückgehende Schädel.

Ausgehend von den festgestellten Daten sollen weiterführende Quellen ausgewertet werden, um Erwerbungsumstände der Schädel transparent zu machen und die involvierten Personen zu ermitteln. Ziel ist es, auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse in einen Dialog mit Fachwissenschaftler*innen/Vertreter*innen der Herkunftsgesellschaften aus Papua-Neuguinea einzutreten, um – wenn gewünscht – eine Rückführung der Schädel einzuleiten.

Untersuchungen von 18 Benin-Bronzen

In den Beständen sowie in den Ausstellungen des Übersee-Museum Bremen befinden sich 18 Objekte aus dem ehemaligen Königreich Benin, im heutigen Nigeria gelegen. Das durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste geförderte und auf sechs Monate angelegte Projekt „Recherche zur Provenienz von 18 Objekten aus Benin“ hat zum Ziel, Provenienzketten zu dokumentieren, mögliche Unrechtskontexte offenzulegen und so den Weg für potentielle Rückgaben nach Nigeria zu ebnen.

Die Projektergebnisse, die die Historiker*innen Dr. Jan Christoph Greim und Henrike Schmidt erarbeiten, werden in der zentralen Datenbank der Initiative „Digital Benin“ öffentlich zugänglich gemacht.

Initiative “Digital Benin”

Provenienzforschung: Aktuelle Projekte

Das Legba Dzoka-Projekt – Multidisziplinäres Team arbeitet koloniale Sammlung spiritueller Artefakte der Ewe auf

Seit Dezember 2023 arbeitet ein multidisziplinäres Team von Forscher*innen aus Ghana, Togo, Deutschland, den Niederlanden sowie zwei Vodu-Priestern des „Afrikan Magick Temple“ (in Accra/Ghana) die Herkunft einer Sammlung von Arte-fakten der Ewe auf. Um die 500 Gegenstände, mindestens die Hälfte davon spirituell und sakral, hat Carl Spiess, Missionar der Norddeutschen Missionsgesellschaft (NMG), zwi-schen 1892 und 1914 in der damaligen deutschen Kolonie Togo und der damaligen briti-schen Kolonie Goldküste unter bisher ungeklärten Bedingungen zusammengetragen und dem Bremer Museum übergeben. Die Sammlung bietet ein Fenster in die vorkoloniale, vorchristliche Ewe Kosmologie, insbesondere die Art und Weise wie Ewe sich die Kräfte der Natur zu Zwecken von Schutz und Heilung aneigneten, sowie in die Haltung gegenüber dieser Kosmologie von Seiten der Mission und des Museums.

Bevor die Ewe, sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts auf Andringen der Missionare der NMG zum christlichen Glauben bekehrten, verehrten sie ihre eigenen Götter. So hatten sie beispielsweise an den Ein- und Ausgängen ihrer Häuser und Dörfer legba-Figuren positioniert. Diesen legbawo wohnt ein Gott oder Geist inne, der die Menschen vor Gefahr schützt. Ein legba fungiert dabei als Botschafter zwischen den Menschen und anderen Göttern. Dzokawo (Singular: dzoka), sind spirituell aufgeladene Schnüre, denen starke Kräfte innewohnen. Die Missionare werteten die Ewe-Religion als „Götzendienst“ ab und propagierten den christlichen Glauben, dem sich viele Ewe gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die deutsche Kolonialmacht sich in diesem Gebiet festigte, anschlossen. Vor allem in dieser Zeit brachten Missionare legbawo, dzokawo und andere spirituelle Artefakte in deutsche ethnologische Museen, die durch den deutschen Imperialismus florierten und mit dem Ausstellen indigener Artfakten ein koloniales Weltbild legitimierten. So auch Carl Spiess, der dem Übersee-Museum Bremen mindesten 250 spirituelle Artefakte über-mittelte, vermutlich mehr.

Pressemitteilung zum Download

Ethnografisches Sammeln zur deutschen Kolonialzeit in „Neumecklenburg“ – ein kooperatives Forschungsprojekt mit New Ireland/Papua-Neuguinea

New Ireland, von 1884 bis 1914 „Neumecklenburg“ genannt, ist eine Provinz im heutigen Staat Papua New Guinea. In der deutschen Kolonialzeit war sie eine jener Regionen, deren Kulturgut, vor allem Schnitzarbeiten, man überaus schätzte und daher in Museen sammelte. In „Deutsch-Neuguinea” wurden Strafexpeditionen zum Teil von der Kaiserlichen Marine und Polizeieinheiten durchgeführt, so auch in „Neumecklenburg“. Das Gebiet galt als Arbeitskräftereservoir. Männer und Frauen nötigte man teilweise gewaltsam zur Arbeit. Die Beziehungen zwischen Einheimischen und Deutschen waren in New Ireland während der Kolonialzeit mithin durchaus konfliktträchtig.

Das 1896 eröffnete Übersee-Museum nimmt seine 716 Nummern umfassende Sammlung aus der Provinz hinsichtlich ihrer Provenienz und der Frage, wie sich der benannte historische Kontext auf das Sammeln auswirkte, in den Blick. Im ersten Projektjahr waren ein Schnitzer aus New Ireland und sein Lehrling für vier Wochen Gäste des Museums. Gemeinsam mit der Projektbearbeiterin und dem Team des Hauses wurde in den Sammlungen gearbeitet. Darüber hinaus hat einer der Gäste in Kooperation mit dem Museum eine Facebook-Seite aufgebaut. Auf diesem Wege hofft das Museum, neuirländisches Kulturgut aus Bremen in der Provinz bekannt zu machen. Es möchte mit den Menschen von dort über die Stücke ins Gespräch kommen. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse könnte die Frage der Rückführung neuirländischen Kulturguts im Dialog mit den Herkunftsgesellschaften erörtert werden.

Rückgaben und Repratiierungen

Rückgabe menschlicher Überreste an Hawai’i

Die Provenienz-Forschung hat in diesem Fall ergeben, dass die menschlichen Überreste aus unterschiedlichen Quellen dem Übersee-Museum zugeführt wurden.

Demnach wurden dem Museum 1934 zwei der menschlichen Überreste von Kurt-Felix (auch Kurd-Felix) Franke bzw. 1865 von Hermann von Eelking überlassen. Für zwei weitere menschliche Überreste wird Prof. Hugo Schauinsland, Gründungsdirektor des Übersee Museums, als Einlieferer angegeben und das Einlieferungsdatum auf 1897 geschätzt.

Für die übrigen vier fehlen diese Angaben gänzlich. Anhaltspunkte für eine genauere geographische Zuordnung bietet bei mindestens fünf der Schädel die Beschriftung. Dieser zufolge sollen vier der iwi kūpuna von Kaua’i und einer von Moloka’i stammen. Auf welchen Quellen diese Herkunftsangaben beruhen, ließ sich im Rahmen der Recherche allerdings nicht nachvollziehen.

Bei zwei weiteren menschlichen Überresten kann aufgrund der Quellen eventuell eine Herkunft von der Insel Hawai‘i (Big Island) in Betracht gezogen werden. Das OHA (Office of Hawaiian Affairs) wandte sich 2019 mit einem Rückgabegesuch an das Übersee-Museum Bremen. Dieses hat daraufhin gemeinsam mit dem Senator für Kultur und dem OHA, gefördert durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, die Angelegenheit im Rahmen der zugänglichen Quellen und auf Grundlage ethischer Standards erforscht und aufbereitet.

Nach sorgfältiger Prüfung empfahl das Übersee-Museum dem Senat der Freien Hansestadt Bremen die Rückgabe der menschlichen Überreste. Dieser stimmte dem Gesuch im Februar 2022 zu, die feierliche Rückgabezeremonie an Vertreter*innen aus Hawai’i fand am 8. Februar 2022 statt.

Abschlussbericht: Recherche zur Provenienz von acht menschlichen Schädeln aus Hawai‘i Final report: Investigation into the provenance of eight human skulls from Hawai‘i Video vom Livestream der Rückgabezeremonie

Rückgabe menschlicher Überreste an die Moriori und Māori

Die menschlichen Überreste der Māori und Moriori stammten größtenteils von einer Sammel- und Forschungsreise des Gründungsdirektors des Übersee-Museums Bremen, Prof. Hugo Schauinsland, nach Neuseeland im Jahr 1896/1897. Die Gebeine der Moriori wurden von ihm ohne explizite Erlaubnis der Nachfahren auf den Chatham Inseln ausgegraben. Vermutlich gab es auch keine Genehmigung der damaligen britischen Kolonialregierung.

Ein Rückgabegesuch wurde im Juli 2013 von Neuseeland gestellt. Dem hat der Senat der Freien Hansestadt Bremen im Mai 2016 aus ethischen Gründen zugestimmt. Die Rückgabe erfolgte im Mai 2017 an den Staat Neuseeland, vertreten durch eine Delegation des Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa und dem Botschafter Neuseelands, Peter Rodney Harris, in einer Übergabezeremonie im Übersee-Museum Bremen. Ausschnitte der feierlichen Zeremonie können Sie sich auf YouTube anschauen:

Video der Rückgabezeremonie

Rückgabe menschlicher Überreste an Neuseeland

Zwei Toi moko wurden durch den Senat der Freien Hansestadt Bremen 1999 deakzessioniert und dem Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa zur Rückgabe angeboten. Nachdem das Übersee-Museum 2006 ein offizielles Rückgabegesuch erhalten hatte, wurden die beiden Köpfe nach Neuseeland überführt, wo die Rückgabezeremonie stattfand.

Rückgabe menschlicher Überreste an Tansania

Die Rückgabe des Schädels des „Sultans Makaua“ wurde in §246 des Versailler Friedensvertrages gefordert. Verschiedene Versuche der britischen Regierung, ihn in den Zwischenkriegsjahren zu erhalten, scheiterten. Gouverneur Edward Twining unternahm 1953 einen erneuten Versuch, offensichtlich mit dem Motiv der britischen Kolonialmacht die Loyalität der Wahehe zu sichern. Das Übersee-Museum, vertreten durch seinen Direktor Helmuth O. Wagner, zeigte sich einer Recherche gegenüber im Magazin des Hauses offen. Die Authentizität des Schädels war bereits bei der Übergabe im Jahre 1954 nicht gesichert. Adam Sapi als Vertreter der Herkunftsgesellschaft akzeptierte ihn aber offiziell als Schädel des Herrschers Mkwawa. Der Schädel wurde nach Ostafrika zurückgeführt und in einer feierlichen Zeremonie am 19. Juni 1954 Chief Adam Sapi übergeben. Heute wird er im Historischen Museum (Mkwawa Museum) in Kalenga (Tansania), einem Ort in der Nähe von Iringa, ausgestellt.

Rückgabe von Briefkopierbüchern und Dokumenten Hendrik Witboois

Im Jahre 1935 verkaufte August Wulff (1878-1952) zwei Briefkopierbücher und weitere Unterlagen des Nama-Führers Hendrik Witbooi (1830-1905) an das „Deutsche Kolonial- und Übersee-Museum“. Der Kaufpreis betrug laut Eingangsbuch 425.- RM.

Als 1904 der Witbooiaufstand ausbrach, verliessen die Witboois den Platz Gibeon, wo ich damals ansässig war, um sich in Riedmond/Mariental, wo ich damals ansässig war, zu sammeln. Die Bevölkerung von Gibeon, rund 40 Weisse, war Monate ganz auf sich selbst angewiesen. Aus Sicherheitsgründen brannten wir damals die ganzen Eingeborenen-Werften nieder. Vorher durchsuchten wir jedoch flüchtig die Hütten, und kamen hierbei, die zwei Eingeborenen-Bücher und Briefe in meine Hände.

So schildert Wulff im November 1940 in einem Brief die Inbesitznahme der Unterlagen Witboois.

Dr. Henning Scherf, Bürgermeister und Präsident des Senats formulierte im Rahmen der Restitution im Jahre 1996:

Die Rückgabe dieser Papiere ist der Ausdruck unseres tiefen Respekts vor dem kompromisslosen Kampf für die Freiheit der Menschen in Namibia und vor ihren Führungskräften. Mögen diese Dokumente ein Beitrag für die Erforschung der namibischen Geschichte sein.

Im Jahre 1994 entdeckte eine Geschichtsstudentin die historischen Witbooi-Unterlagen im Archiv des Übersee-Museums. Das Bremer Staatsarchiv restaurierte die Dokumente. Auf Initiative von Dr. Viola König, Direktorin des Museums, sowie Dr. Peter Junge, Sachgebietsleitung „Afrika“, wurden die Unterlagen an Namibia zurückgegeben.

Die Übergabe erfolgte durch Dr. Henning Scherf, Bürgermeister und Präsident des Bremer Senats während eines Festbanketts im Bremer Rathaus am 20. Juni 1996 anlässlich des ersten Staatsbesuchs von Präsident Dr. Sam Nujoma in Bremen. Die Dokumente befinden sich heute im namibischen Nationalarchiv.

Auf der Seite des Deutschen Museumsbund finden Sie Best-Practice-Beispiele zu dem Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontext.

Reader “Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten”

Hier finden Sie die Berichterstattung vom Kulturjournal über Provenienzforschung. (Stand: 3.5.2021)

Kulturjournal vom 3. Mai 2021

Zur Aufgabe der Provenienzforschung ist im Februar 2020 ein Artikel in der Zeitschrift des Deutschen Museumsbundes erschienen:
Wiebke Ahrndt, Bettina von Briskorn, Patrick Hege: Koloniale Provenienz als Herausforderung. Annäherungen an sensibles Sammlungsgut, in: Museumskunde 2, 2020 (Thema: Aktuelle Erwartungen an die Sammlungsarbeit. Provenienzforschung. Transparanz und Partizipation), S. 14–21.

Förderung

Projekte wurden gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste

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